55 – Überfall

Am frühen Nachmittag des folgenden Mittwochs lag Anderson das Ergebnis von Greens erstem Einsatz vor. Ein höchst aufschlussreiches Ergebnis, das aber überhaupt nicht zu dem passte, was er von Wilkinson erfahren hatte. Anderson legte die Fingerspitzen beider Hände aufeinander und dachte konzentriert nach. Dann ließ er Saunders rufen.

„Saunders“, eröffnete er ihm. „Sie werden sich unverzüglich nach Hogwarts begeben und unseren Agenten vor Ort einem Imperiustest unterziehen.“

 

***

 

Es war etwa halb sieben, als Albus sich von den anderen Unbestechlichen und Scorpius verabschiedete, mit denen er zu Abend gegessen hatte.

„Ich gehe noch in den Raum der Wünsche, ich treffe mich dort mit Rose.“

„Soso“, grinste Julian süffisant, „mit Rose allein im Raum der Wünsche…“

„Nicht, was du schon wieder denkst!“, wehrte Albus ärgerlich ab, konnte aber nicht verhindern, dass er rot anlief. „Wir wollen nur allein sein, damit sie von ihren Gryffindors nicht meinetwegen schief angeguckt wird.“

Die Anderen lachten.

„Lass dich doch nicht ärgern, Albus“, sagte Arabella begütigend. „Sag ihr einen schönen Gruß von uns allen.“

„Mach ich“, rief Albus.

„Aber vorher gib mir bitte die Karte des Rumtreibers“, bat ihn Roy. „Ich muss noch einmal in unseren Geheimraum“

Albus gab ihm die Karte und bog dann zur Treppe ab, die nach oben führte, während die Anderen ihren Weg ins Untergeschoss fortsetzten.

Vor dem Raum der Wünsche wartete Rose schon auf ihn. Albus benutzte den Calorate-Zauber, um sich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war, und achtete sorgfältig auch auf kleine Lichtpunkte, die von der geringen Körperwärme von Insekten ausgingen. Wilkinson stand zwar unter Ares‘ Imperiusfluch, aber man konnte ja nie wissen.

Die Luft war rein, die beiden Kinder schlüpften in den Raum der Wünsche, in dem ein großes Sofa dazu einlud, es sich gemütlich zu machen.

„Hier kann man richtig frei atmen“, meinte Rose, während sie sich schwungvoll aufs Sofa warf.

„Ja?“, frotzelte Albus grinsend. „Beunruhigt dich meine Gegenwart denn überhaupt nicht? Immerhin bin ich einer führenden Todesser des Hauses Slytherin!“

Sie kicherte. „Ist doch aufregend!“, hauchte sie kokett. „Ich glaube, selbst wenn du das wärst, würde ich dich … also, an dir sähe so ein schwarzer Todesserumhang bestimmt toooodschick aus!“

Nun begannen sie, ausgelassen um die Wette zu blödeln. Der Raum der Wünsche war wie jenseits dieser Welt. Hier gab es für sie keine verrückt gewordene Hermine, kein Amasi, keine Flüche, kein Askaban, keine Henker. Hier nahmen sie Urlaub von der Wirklichkeit, die Welt war ausgesperrt.

Noch.

 

***

 

Victoire und James wollten den Abend bei Hagrid verbringen, um den ständigen Anfeindungen im Gemeinschaftsraum der Gryffindors zu entgehen.

Hagrid bot Ihnen von seinen selbstgebackenen Keksen an, die sie freundlich dankend ablehnten – Hagrids Koch- und Backkünste waren in Hogwarts berüchtigt, seine Kekse führten den Spitznamen „Panzerplatten“.

„Tja“, sagte der Riese traurig, als er ihnen stattdessen zwei große Krüge Kürbissaft hinstellte, „wer hätte das für möglich gehalten, dass unsere Hermine und unser Harry…“, – er schluchzte und zog ein Taschentuch aus der Tasche, das anderswo als Tischtuch durchgegangen wäre –, „dass sie einmal zu Todfeinden werden würden? Unsere kluge Hermine… was ist nur in sie gefahren?“ Er unterbrach sich mit einem trompetenartigen Schneuzen.

„Ein Fluch“, erwiderte James knapp. „Ein Fluch ist in sie gefahren.“

„Meinst du wirklich?“, fragte Hagrid mit großen verweinten Augen.

„Wir wissen es“, erwiderte Victoire an James‘ Stelle.

„Aber das ist ja furchtbar“, entsetzte sich Hagrid, und seine Augen füllten sich schon wieder mit Tränen. „Dann muss man sie doch retten!“

„Genau das hat mein Vater versucht, es hat ihn nach Askaban gebracht.“

„Ach darum dieser Überfall im Ministerium, ich habe mir schon die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen, was Harry dort wirklich wollte…“

„Und aus demselben Grund will derjenige, der Hermine kontrolliert, ihn umbringen. Er soll keine Chance haben, sie zu retten.“

„Aber da muss man doch etwas unternehmen…“ murmelte Hagrid.

Victoire versuchte ihn aufzumuntern: „Mach dir keine Sorgen, Hagrid, der Zaubergamot wird nicht von Hermine kontrolliert, sie werden ihn bestimmt freisprechen.“

Dass ihre Familie sich keineswegs auf einen Freispruch verließ, sondern Harrys Befreiung vorbereitete, noch dazu in Zusammenarbeit mit den Unbestechlichen, erwähnte sie lieber nicht. Hagrids Talent, sich im unpassendsten Augenblick zu verplappern, war mindestens so berüchtigt wie seine Panzerplatten. Um ihn abzulenken, fragte sie:

„Hast du nicht ein paar neue magische Geschöpfe in Aussicht?“

Ob der Aussicht, zu seinem Lieblingsthema überzugehen, hellte Hagrids Miene sich sichtlich auf.

„O ja“, strahlte er, „ich habe…“ Er unterbrach sich. „Nanu, warum wird es denn plötzlich so kalt?“

James sprang zu einem der Fenster, die zum Verbotenen Wald zeigten. In der Dämmerung konnte er gerade noch wahrnehmen, dass sich hinter der nahen Grenze des Schulgeländes Gestalten in schwarzen Umhängen unter großen Kapuzen mit seltsam fließenden Bewegungen herumtrieben. Er drehte sich zu den beiden Anderen um, leichenblass.

„Dementoren“, flüsterte er.

 

***

 

„Ich komme gerade aus Askaban“, eröffnete Greengrass zur selben Zeit das Gespräch, nachdem er sich auf Ginnys Sofa niedergelassen hatte, „ich konnte dort endlich mit Ihrem Mann sprechen und soll Ihnen liebe Grüße bestellen. Einen Brief an Sie durfte er mir leider nicht mitgeben, aber er meinte, Sie wüssten auch so ganz genau, was er Ihnen sagen würde.“ Ginny lächelte, der Anwalt auch.

„Erfreulicherweise ist er wohl nicht gefoltert worden“, fügte Greengrass hinzu.

„Ich nehme an, er hat sich an die Linie gehalten, alles zuzugeben, was er sowieso nicht abstreiten kann“, meinte Ginny. „Sie mussten nichts aus ihm herausfoltern. Ich frage mich nur, warum es so lange gedauert hat.“

Man schrieb bereits den 7. Februar, die Verhaftung lag vier Wochen zurück.

„Das ist in der Tat interessant“, meinte Greengrass, „es gibt Gerüchte, wonach es um die Gesundheit der Ministerin nicht zum Besten steht. Angeblich soll sie Kreislaufzusammenbrüche und Migräneattacken erlitten haben und sogar an einem Magengeschwür laborieren. Professor Healman geht, wenn man den Gerüchten glauben darf, im Gästehaus des Ministeriums, in dem sie neuerdings wohnt, praktisch täglich ein und aus.“

Ginny horchte auf. „Beschwerden dieser Art stellen sich oft ein, wenn jemandem etwas auf die Seele schlägt. Das freut mich für Hermine. Es deutet darauf hin, dass ihre Seele noch lebt und sich mit aller Kraft gegen die Pläne des Eindringlings wehrt.“

„Sie glauben wirklich an diesen Fluch?“, fragte der Anwalt zweifelnd.

„Das ist keine Glaubensfrage“, entgegnete Ginny kühl. „Wie lange dauert es noch bis zur Eröffnung des Prozesses?“

„Noch etwa drei Wochen, die Leiterin der Abteilung für Magische Strafverfolgung hat mir zugesichert, mich sofort zu informieren, sobald der genaue Termin feststeht.“

„Wird Susan Bones selbst die Anklage vertreten?“

„Davon ist auszugehen, sie müsste sonst praktisch von ihrem Posten zurücktreten. Sie lässt Ihnen persönlich und vertraulich mitteilen, dass Sie sich auf eine faire Verhandlungsführung verlassen können, soweit es die Anklagebehörde betrifft.“

„Aber nicht, was die Richterin, also Hermine, angeht?“, hakte Ginny nach.

Der Anwalt nickte. „Das hat sie gesagt, indem sie es nicht gesagt hat.“

„Ich wünschte, es wäre schon so weit“, seufzte Ginny, „ich möchte Harry endlich wiedersehen, und sei es nur als Gefangenen vor Gericht.“

Der Anwalt räusperte sich. „Ich fürchte…“ begann er vorsichtig.

„Was?“

„Die Öffentlichkeit ist zum Großteil ausgeschlossen, sie ist praktisch nur in Gestalt des Tagespropheten vertreten. Auch die Angehörigen sind ausgeschlossen.“

„Was?“, rief Ginny. „Und das nennen die eine faire Verhandlungsführung?“

„Miss Bones bedauert es aufrichtig. Es handelt sich um eine direkte Weisung der Ministerin.“

Hermine lässt auch keine Gemeinheit aus“, stellte Ginny finster fest. „Wie stehen unsere Chancen? Ich muss das genau wissen, ich habe alle Vorbereitungen für eine Befreiung Harrys aus Askaban getroffen, und ich weiß nicht, ob uns nach einem eventuellen Schuldspruch noch Zeit dazu bleibt. Wenn wir ihn vorher rausholen, müssten wir zwar für voraussichtlich lange Zeit untertauchen, aber das wäre immer noch besser als… Ich werde die Aktion nur verschieben, wenn ich einigermaßen sicher mit einem Freispruch rechnen kann. Also bitte keine tröstlichen Versprechungen!“

Greengrass schenkte ihr ein siegessicheres Lächeln. „Versprechungen habe ich glücklicherweise nicht nötig. Ich habe gemeinsam mit der Familie Malfoy alle Hebel in Bewegung gesetzt. Sie haben diskret Einfluss genommen, teils auch über Dritte. Der Zaubergamot hat achtundsiebzig Mitglieder, von denen über sechzig, und zwar in Kenntnis der ihren Mann belastenden Fakten, bereits jetzt gewonnen sind. Und was die übrigen angeht, so ist keineswegs gesagt, dass sie für eine Verurteilung stimmen werden.“

„Trotz Hermines Pressekampagne haben Sie eine Mehrheit für einen Freispruch?“, staunte Ginny.

„Die Presse beeinflusst Massen, wir beeinflussen Eliten“, entgegnete der Anwalt selbstbewusst. „In gewisser Hinsicht hat die Kampagne uns sogar in die Hände gespielt. Die Gegenseite hat das Thema so hochgekocht, dass niemand, auch nicht die Mitglieder des Gamots, umhinkam, sich schon jetzt eine Meinung zu bilden. Sie machen sich große Sorgen über die Entwicklung, die der Magische Staat unter der Führung der Ministerin nimmt. Entsprechend offen waren sie für unsere Argumente.“

Ginny zog die Brauen hoch. „Nur für Argumente?“

Der Anwalt grinste verschmitzt. „Bei den meisten genügten Argumente. Bei den wenigen, die sich nicht damit begnügten, haben wir mit zusätzlichen Mitteln Einfluss genommen.“

„Mit welchen Mitteln?“, fragte Ginny.

„Ich glaube“, sagte der Anwalt, und sein Grinsen wurde breiter, „Sie schlafen besser, wenn Sie es nicht so genau wissen.“

In diesem Moment wurde unter ohrenbetäubendem Krachen die Haustür aufgesprengt, und sechs Auroren stürmten schnurstracks ins Wohnzimmer. Ihr Anführer richtete seinen Zauberstab auf die wie gelähmt dasitzende Ginny.

„Magische Sicherheit. Sind Sie Ginevra Molly Potter, geborene Weasley?“

Ginny nickte.

„Sie sind verhaftet!“

 

***

 

„Ah, wie schön, dass Sie kommen konnten, Arthur!“

Cesar Anderson war glänzender Laune, als er Arthur Weasley empfing, als sei dieser ein lieber Freund, der zu einer Party erschien.

Arthur runzelte die Stirn. Mit Anderson hatte er normalerweise nichts zu tun – und wollte er nichts zu tun haben. Er war auch nicht freiwillig in dessen Büro gekommen, sondern aufgrund einer dienstlichen Anordnung.

„Setzen Sie sich doch, mein lieber Arthur“, flötete Anderson, den es offenbar nicht störte, dass er dabei wie ein zweitklassiger Schmierenkomödiant wirkte. „Sie sind doch ein großer Freund von Muggeltechnologie, nicht wahr?“

Arthur nickte leicht verwirrt.

„Dann wird es Sie sicher interessieren, was ich Ihnen zeigen möchte. Sie müssen nämlich wissen, dass das Amt für Magische Sicherheit sich als Speerspitze des technischen Fortschritts der Magischen Welt sieht!“

Er stellte einen Laptop auf den Tisch, klappte ihn auf und ließ ihn hochfahren. Arthurs Interesse war sofort gefesselt.

„Funktioniert der denn hier?“, wunderte er sich. „Wir haben hier doch gar keinen Strom.“

„Die Kollegen vom MI-5 versorgen mich regelmäßig mit frisch aufgeladenen Akkus.“

Arthur Weasley wusste zwar nicht, was das MI-5 war, aber da Anderson ihm offenbar zutraute, es zu wissen, wollte er sich nicht blamieren, und unter einem Akku konnte er sich im Gegensatz zu den meisten Zauberern durchaus etwas vorstellen.

„Ja, aber die Elektronik kann doch in magischer Umgebung gar nicht funktionieren“, wandte er fachmännisch ein.

„Normalerweise nicht“, versetzte Anderson, „aber die Zusammenarbeit zwischen unserer Abteilung für magische Technologie und ihren Muggel-Kollegen beginnt Früchte zu tragen“, – die mit ein paar Fläschchen Vielsaft und Veritaserum weiß Gott nicht überbezahlt sind, dachte er, sagte es aber nicht. „Wir haben Schutzzauber entwickelt, die elektronische Geräte gegen magische Störungen abschirmen. Sie sind noch nicht ganz perfekt, wie Sie gleich sehen werden, aber für diesen Laptop reicht es schon einmal, zumindest im Offline-Modus. Der Betrieb eines WLAN-Netzes und jede Art von Datenfernübertragung sind im Ministerium nach wie vor unmöglich, aber wir arbeiten auch daran.“

Da der Rechner nun betriebsbereit war, zog Anderson einen unsichtbaren Gegenstand aus der Schublade, der sich nach einem „Disinvisibilis“ als gut daumengroßes schwarzes Kunststoffgehäuse herausstellte, das aufsprang, als Anderson einen Federmechanismus betätigte, und den Blick auf ein kleines Gerät freigab, das Muggel vermutlich für einen USB-Stick gehalten hätten, jedenfalls verfügte es über einen entsprechenden Stecker, den Anderson jetzt in den USB-Anschluss seines Rechners einführte.

„Dieses Gerät“, erläuterte er dem fasziniert zusehenden Arthur, „ist durch den gleichen Schutzzauber gesichert wie der Rechner.“

„Und was für ein Gerät ist das?“

„Es dient zur Tonaufzeichnung und funktioniert aufgrund des Schutzzaubers in allen magisch gesicherten Räumlichkeiten, also zum Beispiel hier im Ministerium, mit ein paar Verbesserungen vielleicht auch in Hogwarts, in jedem Fall aber in magisch gesicherten Firmenräumen, also zum Beispiel“, fügte er wie beiläufig hinzu, „bei Weasleys zauberhafte Zauberscherze. Sie hatten sich heute Morgen freigenommen, Arthur?“

„In der Tat“, bestätigte Arthur leise. Er begann zu ahnen, worauf Anderson hinauswollte.

„Ich verstehe“, meinte Anderson scheinbar freundlich, aber mit gehässigem Unterton. „Man will ja auch einmal mit der Familie zusammensein, nicht wahr? Vor allem, wenn ein Familienmitglied in Askaban einsitzt… Schade nur, dass Sie die Zaubereiministerin nicht eingeladen haben, Ihre Schwiegertochter hätte sich für Ihr Gespräch bestimmt brennend interessiert. Macht nichts, wir haben sie ja auch so ins Bild gesetzt.“

Arthur funkelte sein Gegenüber an, ohne dessen Laune allerdings trüben zu können.

„Die Aufzeichnung ist nicht ganz vollständig“, fuhr Anderson fort, „leider sind etliche Stellen durch Rauschen überdeckt – ich sage ja, unsere Schutzzauber sind noch nicht ganz ausgereift –, aber die entscheidende Passage möchte ich Ihnen doch nicht vorenthalten.“

Ein Mausklick, und Arthur hörte aus dem Laptop seine eigene Stimme:

„Nur um den Überblick zu behalten: Wer außer uns acht wird an der Befreiungsaktion noch teilnehmen?“

James und Victoire…“ hörte man Ginny antworten.

„In Askaban sollte niemand eindringen“, wandte George ein, „der keinen Patronuszauber beherrscht.“

„Inzwischen beherrschen sie ihn, sie sind wohl beide sehr talentiert“, erwiderte Ginny.

„Und die Unbestechlichen machen wirklich mit?“ Das war Rons Stimme. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass Harry von Slytherins befreit wird.“

Albus ist auch ein Slytherin, und sie sind seine Freunde, sie haben versprochen, ihm zu helfen, und sie werden ihr Wort halten.“

„Und sie können wirklich alle einen Patronus beschwören?“, wollte nun Charlie wissen.

„Alle sechs: Roy und Arabella MacAllister, Lestrange, Macnair, Malagan – und natürlich Albus.“

Albus auch?“, staunte Fleur.

Albus auch.“ Man hörte geradezu, dass Ginny vor Stolz strahlte.

„Und er soll wirklich dabeisein?“, fragte Bill zweifelnd. „Er ist reif für sein Alter, aber trotzdem erst elf.“

„Es geht um seinen Vater, und gegen die Dementoren brauchen wir jeden Patronus…“

Anderson stoppte die Wiedergabe, da die Aufzeichnung von da an wieder durch Rauschen überdeckt wurde.

„Und?“, fragte Arthur Weasley trotzig. „Haben wir gegen irgendein Gesetz verstoßen?“

„Sie planen es.“

„Das ist nicht dasselbe.“

„O doch, das ist dasselbe“, erwiderte Anderson. „Da Sie die aktuelle Rechtslage wohl noch nicht kennen, werde ich Sie darüber aufklären.“

Er zog einen Bogen Pergament aus der Schublade und las vor:

„Notverordnung vom 7. Februar 2018 zur Ergänzung der Notverordnung zum Schutze des Magischen Staates vom 10. Januar 2018:

Als Hochverräter im Sinne der Notverordnung zum Schutze des Magischen Staates gilt, wer es unternimmt, eine Person, die eines der in der obigen Notverordnung genannten Verbrechen begangen hat oder von den zuständigen Behörden eines solchen Verbrechens bezichtigt und deswegen gesucht oder festgehalten wird oder inhaftiert ist, versteckt oder befreit oder in sonstiger Weise dem Zugriff der Behörden entzieht, oder eine solche Tat plant oder dazu anstiftet oder Beihilfe leistet.“

Anderson ließ eine bedeutungsschwangere Pause folgen.

„Auch diese Regelung gilt rückwirkend zum 1. Januar. Ich fürchte, Arthur, Sie und Ihre Familie haben ein Problem.“

 

***

 

Mit einem Satz war Victoire am gegenüberliegenden Fenster, das zur Schule zeigte.

„Kommt her!“, rief sie. „Da fliegen mindestens fünfzig Leute auf Besen Richtung Schule! Auroren, wenn ich es richtig sehe!“

James und Hagrid hasteten zu ihr. Die Auroren teilten ihre Formation: Die größere Gruppe flog zum Hauptportal des Schlosses, sprengte das Portal auf und flog direkt mit den Besen hinein, die kleinere dagegen…

„Die fliegen ja zum Gryffindor-Turm!“, rief James. „Was wollen sie denn dort?“

„Vermutlich uns“, versetzte Victoire düster. „Oder kennst du sonst noch Gryffindors, für die sich die Auroren interessieren könnten? Wir müssen sofort verschwinden!“

„Wie denn?“, schrie James. „Da draußen wimmelt es von Auroren und Dementoren!“

„Hier an der Hütte sind keine Auroren“, erwiderte Victoire bemerkenswert kaltblütig. „Und was die Dementoren betrifft…“

Sie zog ihren Zauberstab.

„Expecto Patronum!“ Sogleich erschien eine silberne Löwin.

Nun fand auch James seine Geistesgegenwart wieder. Er beschwor ebenfalls seinen Patronus, einen Hirsch.

„Tschüss, Hagrid“, rief er noch, dann stürmten beide nach draußen und folgten ihren Patroni zum nahen Verbotenen Wald. In Panik stoben die Dementoren davon.

„Wir müssen sofort disapparieren! Aber zuerst…“ keuchte Victoire. „Die Unbestechlichen sind wahrscheinlich im Slytherin-Gemeinschaftsraum!“, rief sie ihrer Löwin zu. „Du musst sie warnen!“

Mit einem gewaltigen, geschmeidigen Satz machte sich ihr Patronus auf den Weg. Victoire nahm ihren Cousin bei der Hand.

„Wohin sollen wir denn gehen?“, fragte James verzweifelt.

„Vertrau mir“, antwortete Victoire und drehte sich. Im Nu waren beide verschwunden.

 

***

 

Während Arabella, Ares, Julian und Orpheus im Gemeinschaftsraum verschwanden, blieb Scorpius davor stehen, um sich mit Bernie zu unterhalten, der ihm mit seinem Besen entgegenkam, weil er trotz der einbrechenden Dunkelheit noch ein wenig fliegen wollte. Da sie es beide nicht eilig hatten, kamen sie ins Quatschen und fachsimpelten über Slytherins Chancen beim nächsten Quidditchmatch gegen die Ravenclaws, das am kommenden Samstag stattfinden sollte. Seit er selbst fliegen konnte, war Bernie zum Quidditchfan und -fachmann geworden. Insgeheim träumte er davon, eines Tages für die Slytherin-Hausmannschaft aufgestellt zu werden.

Ihre angeregte Diskussion wurde jäh unterbrochen, als rund zwei Dutzend Auroren, erkennbar an ihren blauen Umhängen, auf ihren Besen angeschossen kamen und vor der Tür des Slytherin-Raums absprangen.

„Ihr zwei da!“, rief barsch einer der Auroren, der wohl den Einsatz leitete. „Seid ihr Slytherins?“

Als die beiden Jungs erschrocken nickten, wies der Auror mit seinem Zauberstab auf Cassiopeia und kommandierte:

„Aufmachen!“

„Mit Verlaub, Sir“, erwiderte Scorpius höflich, während Bernie sich diskret mit seinem Besen verdrückte, „das darf ich nicht.“

„Du darfst nicht nur, ich befehle es dir!“, brüllte der Auror ihn an.

„Verzeihung, Sir“, antwortete Scorpius kaltblütig, obwohl seine Knie zitterten, „es ist verboten, unbefugten Personen Zutritt zum Gemeinschaftsraum zu gewähren.“

In diesem Moment registrierte er etwas Helles, Silbernes, das blitzartig an ihnen vorbeischoss und durch den verschlossenen Eingang im Gemeinschaftsraum zu verschwinden schien. Der Auror, ganz auf Scorpius konzentriert, schien es nicht zu beachten.

„Junge, du weißt wohl nicht, wen du vor dir hast?“, brüllte er noch lauter.

„In der Tat, Sir, Sie haben sich bisher nicht vorgestellt“, erwiderte Scorpius, der den Patronus als solchen erkannt hatte und Zeit zu schinden versuchte.  „Gestatten Sie aber bitte, dass ich es tue.“ Er machte eine leichte Verbeugung. „Scorpius Malfoy, Slytherin-Schüler.“

„Saunders, Magische Sicherheit!“, schnauzte der Auror ihn an. „Und jetzt machst du auf, sonst öffne ich selbst mit einem Sprengzauber!“

„Sir, diese Steinplatte hat einem Magischen Feuer widerstanden, ich glaube nicht, dass Sie sie sprengen können.“

„Dann belege ich dich mit dem Imperius!“, drohte Saunders und richtete seinen Zauberstab auf Scorpius.

„Es würde vollkommen genügen, wenn Sie Ihre Berechtigung nachweisen, das heißt sich ausweisen und Ihren Durchsuchungsbefehl vorzeigen würden.“

 

Während Scorpius draußen um Sekunden kämpfte, sprangen alle Slytherins im Gemeinschaftsraum aus ihren Sesseln hoch, als Victoires silbern strahlende Löwin durch den verschlossenen Eingang sprang und vor dem Tisch der Unbestechlichen geschmeidig federnd auf ihren vier Tatzen zum Stehen kam.

„Mehrere Dutzend Auroren sind in die Schule eingedrungen“, rief die Löwin mit heller Stimme. „Das Gelände ist von Dementoren umstellt! Sieht nach einer Razzia aus! Ihr müsst sofort verschwinden!“

Die Erscheinung löste sich auf. Während ihre Mitschüler verwirrt dreinblickten, zogen die Unbestechlichen ihre Zauberstäbe.

„Sofort unsichtbar machen und ab in den Geheimraum“, raunte Ares den Anderen zu. „Falls wir auf Auroren treffen, mit Schockzaubern ausschalten!“

Die vier machten sich unsichtbar und stürmten zur Tür, Ares voran.

 

Scorpius‘ Idee, Saunders auf ein korrektes Vorgehen festzunageln, war an sich goldrichtig. Saunders war noch von Harry ausgebildet worden – er konnte nicht anders: Er zückte seinen Ausweis und kramte nach dem Durchsuchungsbefehl, als die Tür zum Gemeinschaftsraum von innen aufgerissen wurde.

Stupor!“, rief jemand. Der Schockzauber prallte an Saunders‘ magischer Schutzweste ab, aber der rote Schockblitz hatte Ares‘ Position verraten. Saunders reagierte sofort:

„Stupor!“

Man hörte Ares in der Tür zu Boden gehen. Der Auror sprang neben die Tür, zog eine Blendgranate – ein Geschenk des MI-5 – und schleuderte sie in den Gemeinschaftsraum, wo der grelle Blitz jeden Anwesenden für mehrere Sekunden lähmte. Saunders feuerte eine Serie Disinvisibilis-Zauber fächerförmig in den Gemeinschaftsraum – und zwar stumm, weil man Zaubersprüche schneller denken als aussprechen kann –, und streckte Arabella, Julian und Orpheus mit Schockzaubern nieder, als sie sichtbar wurden.

Saunders sah in Dutzende schreckensstarre Schülergesichter. Nach einem kurzen Blick auf die reglos am Boden liegenden Unbestechlichen rief er in den Raum:

„Wo sind MacAllister und Potter?“

Patricia fasste sich als erste.

„Wir wissen es nicht, Sir!“

Saunders fixierte sie scharf: „Sie wollen es nicht sagen, was?“

„Das steht nicht zur Debatte, Sir. Wir können es nicht sagen, weil wir es nicht wissen! Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich dafür sorgen werde, dass der Abteilungsleiter für Hogwarts-Angelegenheiten – zufällig mein Großvater – Ihr skandalöses Verhalten der Ministerin persönlich melden wird!“

„Tun Sie das ruhig“, grinste Saunders, „Sie sichern mir damit einen Orden.“

Er wandte sich einigen seiner Leute zu: „Sie fesseln die vier und schaffen sie vom Gelände. Von dort aus sofort nach Askaban. Die anderen durchsuchen die Räume.“

Mit „Incarcerus“ wurden die Gefangenen gefesselt und hinausgebracht. Als die Auroren sie über ihre Besen legten wie über Eselsrücken und sie dort nochmals festbanden, hörte Saunders eine vertraute Stimme donnern:

„Was geht hier vor?“

McGonagall saß hinter Bernie, der sie alarmiert hatte, auf dessen Muggelbesen. Sie sprang ab – bemerkenswert leichtfüßig für ihr hohes Alter – und schnauzte Saunders wutschäumend an:

„Saunders, sind Sie der Einsatzleiter hier?“

„Jawoll, Frau Professor!“

Der bisher so selbstbewusste Auror schien plötzlich zu schrumpfen. Wie die meisten Auroren war er ein Gryffindor, und obwohl er längst erwachsen war, war McGonagall für ihn, wie für alle Ehemaligen, immer noch eine Respektsperson.

„Was tun Sie hier?“

„Wir vollstrecken Haftbefehle, Madam!“

„Gegen wen?“

„Gegen…“ Er räusperte sich. „Roy und Arabella MacAllister, Julian Lestrange, Orpheus Malagan, Ares Macnair, Albus und James Potter und Victoire Weasley. Diese beiden werden gerade im Gryffindor-Turm festgenommen. Nach Roy MacAllister und Albus Potter wird noch gesucht.“

„Saunders, sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Sie sind hier in HOGWARTS! Ohne meine Genehmigung dürfen Sie das Gelände nicht einmal betreten, geschweige denn Haftbefehle vollstrecken!“

„Sie irren sich, Frau Professor. Ich darf das nicht nur, ich muss es sogar!“ Saunders straffte sich. Vor McGonagall hatte er einen Heidenrespekt, aber vor Hermine hatte er Angst. „Die neueste Notverordnung der Ministerin lässt mir keinen Spielraum.“

Die Schulleiterin funkelte ihn an: „Natürlich! Wieder einmal eine dieser famosen Notverordnungen! Und auf die Idee, einen solchen Befehl nicht auszuführen, kommen sie gar nicht, was?“

„Aus welchem Grund sollte ich?“

„Aus tausend Gründen!“, donnerte McGonagall. „Allein schon, weil die Ministerin übergeschnappt ist! Sie lässt ihre halbe Familie verhaften!“

„Sie irren sich schon wieder, Ma’am“, erwiderte Saunders, der sich diesmal ein Grinsen nicht verkneifen konnte. „Sie lässt ihre ganze Familie verhaften. Mit Ausnahme ihrer Tochter Rose und natürlich von Percy Weasley.“

Er gab den Auroren, die schon auf ihren Besen saßen, einen Wink, und sie flogen mitsamt den Gefangenen davon.

Niemand achtete darauf, dass Scorpius und Bernie sich unauffällig entfernten, dann auf Bernies Besen sprangen und das Weite suchten.

„Das wird Sie Ihre Stellung kosten, Saunders.“

„Das bezweifle ich, Frau Professor. Es würde mich meine Stellung kosten, wenn ich es nicht täte.“

Die Auroren, die die Slytherin-Räume durchsucht hatten, traten nun ebenfalls auf den Gang.

„Nichts, Sir. Potter und MacAllister müssen woanders sein.“

„Durchsuchen Sie das gesamte Gebäude!“

„Haben Sie überhaupt einen Durchsuchungsbefehl?“, herrschte MacGonagall ihn an.

„Selbstverständlich, Madam. Ausgestellt vom Leiter des Amtes für Magische Sicherheit, bestätigt von der Abteilung für Magische Strafverfolgung, gegengezeichnet von der Ministerin persönlich. Genügt das?“

 

***

 

Nichts von alldem ahnend, grübelte Roy in seinem Labor über ein paar Spiegeln, die er zu Zauberspiegeln umbauen wollte. An sich waren Zauberspiegel, mit deren Hilfe zwei Personen miteinander Kontakt halten konnten, nichts Neues. Roy aber verfolgte die Idee, nicht nur je zwei Spiegel auf magische Weise fest miteinander zu verknüpfen, sondern es den Benutzern freizustellen, zu welchem Spiegel sie Kontakt aufnehmen wollten. Es ging ihm also praktisch darum, magische Handys für Videotelefonate zu entwickeln. Es war knifflig, aber die Methode, die er im Sinn hatte, schien ihm vielversprechend zu sein.

Roy hasste es, bei solchen Arbeiten gestört zu werden, und so drehte er sich äußerst unwirsch um, als er hinter sich die Wand sich öffnen hörte. Reflexartig griff er nach seinem Zauberstab, ließ ihn aber sinken.

Scorpius!“, raunzte er, während Scorpius die Wand hinter sich und Bernie wieder schloss. „Was tust du hier? Und wie kommst du dazu, Bernie mitzubringen? Du weißt genau, dass unser Geheimraum…“

„Keine Zeit jetzt!“, unterbrach ihn Scorpius. „Die Auroren haben alle Unbestechlichen verhaftet! Außerdem vermutlich James und Victoire. Nur nach dir und Albus suchen sie noch.“

„Alle Unbe…“ Roy wurde kreidebleich. „Auch Arabella?“

„Auch Arabella, leider“, erwiderte Scorpius leise.

Roy sprang auf und wollte hinausstürmen, doch Scorpius und Bernie warfen sich ihm in den Weg und versuchten ihn festzuhalten.

„Roy, das hat keinen Sinn!“, schrie Scorpius verzweifelt. „Sie haben sie schon auf ihren Besen vom Gelände geschafft und haben Befehl, sie sofort nach Askaban zu bringen, ich hab’s gehört! Du kannst Arabella nicht helfen, du läufst ihnen nur ins offene Messer!“

Sie keuchten, als Roy innehielt. Den stämmigen Teenager festzuhalten war für die beiden zierlichen Erstklässler ein echter Kraftakt gewesen.

Askaban…“ flüsterte Roy. Er zitterte.

Scorpius fuhr fort: „Eine Riesenmeute Auroren sucht im ganzen Haus nach dir und Albus. Ich schlage vor, ich gehe zum Raum der Wünsche und…“

„Nein“, sagte Roy, der seine Geistesgegenwart langsam wiedergewann. „Das machen wir anders.“

 

***

 

„Was habt ihr in eurer Gruppe außer Schockzaubern eigentlich noch so geübt?“, wollte Rose wissen.

„Alles Mögliche“, meinte Albus. „Unsichtbarkeitszauber, Apparieren, Gedächtniszauber…“

Apparieren? Und Gedächtniszauber?“, fragte sie ungläubig. „Das ist doch schon UTZ-Niveau!“

„Ja“, bestätigte Albus nicht ohne Stolz.

„Und da konntest du mit den Anderen mithalten? Die sind doch viel älter als du!“

„Alles eine Frage des Talents. Na gut, ich brauchte länger als die Anderen und musste viel mehr üben. Aber geschafft habe ich sie am Ende alle, und den Patronus hatte ich sogar als Erster!“

„Patronus?“ Rose sah ihn zweifelnd an. Wahrscheinlich überlegte sie, ob er sie wohl gerade auf den Arm nahm.

Der Versuchung, seine Freundin zu beeindrucken, konnte Albus nicht widerstehen.

„Patronus“, bestätigte er betont lässig und zog seinen Zauberstab. „Expecto Patronum!

Ein spitzer Schrei entfuhr Rose, als Albus‘ Schlange sich auf dem Boden ringelte und dabei den ganzen Raum der Wünsche erhellte.

Als Albus den Blick bemerkte, den sie ihm zuwarf, schnurrte es in ihm behaglich. Jetzt cool bleiben, immer so tun, als sei es das Normalste der Welt…

Noch bevor Albus jedoch Roses Bewunderung ganz auskosten konnte, erschien ein zweiter Patronus.

Ein Bär.

„Arabella, Julian, Orpheus und Ares sind verhaftet worden, James und Victoire wahrscheinlich auch. Nach uns beiden wird gefahndet. Wir müssen sofort verschwinden! Geh nicht durchs Haus, es wimmelt überall von Auroren. Bitte den Raum der Wünsche, dir einen Ausgang direkt in unseren Geheimraum zu öffnen. Verlier keine Zeit!“

Der Bär verschwand. Nach einer Schrecksekunde ließ auch Albus seine Kobra verschwinden und rief laut und konzentriert:

„Ich wünsche mir einen Ausgang zum Geheimraum der Unbestechlichen!“

Sogleich öffnete sich eine Wand. Albus und Rose schlüpften hindurch und sahen sich Roy, Scorpius und Bernie gegenüber.

„Wie kann das sein?“, fragte Albus.

„Es war eine Art Überfall“, antwortete Scorpius. „Ich habe es gesehen, unsere Freunde hatten keine Chance. Und ich muss dir noch etwas sagen, Al…“ Scorpius Stimme war fast nur noch ein Flüstern.

„Was denn, um Gotteswillen?“

„Der Chef dieser Auroren hat erwähnt, dass Hermine ihre ganze Familie hat verhaften lassen, Alle außer Rose und Percy Weasley. Das heißt wahrscheinlich…“

Albus sank auf eines der Sitzkissen. „…dass meine Mama auch verhaftet wurde.“

Das betretene Schweigen wurde von Roy unterbrochen:

„Schick ihr deinen Patronus, vielleicht ist es noch nicht zu spät. Sie soll sofort herkommen.“

Albus beschwor sofort wieder seinen Patronus – und trotz der Sorge um seine Mutter konnte er es nicht lassen, erneut nach Roses Reaktion zu schielen – und schickte ihn los.

In der Zwischenzeit begann Roy, in fliegender Hast die kostbaren Feuerblitze, die Vorräte an Vielsafttrank und magischen Retardkapseln, das Finsternispulver und die dazugehörigen Schleudern, die Lagepläne von Askaban, die Wasseruhren mit der Aufzeichnung von Hermines Monolog und dem Schlüssel zur Kammer des Schreckens und sogar die Spiegel zu verkleinern und einzustecken, mit denen er zu experimentieren begonnen hatte – wer weiß, dachte er, wozu sie noch gut sind. Dann verkleinerte er eine Reihe von Büchern, allen voran natürlich das Sulphangel-Buch, steckte sie mitsamt einigen Papieren, die Harry sicherheitshalber hier hinterlegt hatte, ebenfalls ein und hängte sich die Tasche mit den Basilisken-Giftzähnen um. Als er alles Wichtige beisammen zu haben glaubte, ließ er die übrigen Überreste seines Labors und die gesamte Einrichtung des Geheimraums einschließlich der Sitzkissen und sogar sämtliche Fingerabdrücke magisch verschwinden. Wenn die Auroren den Raum aufspüren sollten, sollte nichts eine Verbindung mit den Unbestechlichen, Harry oder Ginny beweisen können.

All dies zusammen hatte kaum zwei Minuten gedauert, und der Raum war im wahrsten Sinne des Wortes besenrein, als Albus‘ Kobra wieder auftauchte:

„Ich kam zu spät“, sagte der Patronus zu Albus. „Deine Mutter ist verhaftet worden.“

Der Patronus verschwand.

„Schlecht“, meinte Roy, „aber so wissen wir wenigstens Bescheid. Wir müssen weg hier, in Hogwarts sind wir nicht mehr sicher und auch nicht mehr handlungsfähig, außerdem fürchte ich, dass die Auroren diesen Raum finden werden, wenn sie es darauf anlegen. Scorpius, wird deine Familie uns Unterschlupf gewähren?“

Scorpius warf sich in die Brust. „Selbstverständlich. Und ihr könnt direkt in der Empfangshalle des Manors apparieren.“

„Gut, vielen Dank. Albus, wir disapparieren sofort, aber schau zuerst auf der Karte des Rumtreibers nach, ob unsere Freunde ungesehen hier herauskommen.“

„Moment mal!“, warf Rose ein und sah Albus entschlossen an. „Ich komme mit dir!“

„Ich komme auch mit“, riefen Scorpius und Bernie gleichzeitig.

Albus konzentrierte sich auf seine Freundin: „Rose, es wird gefährlich…“

„Na und? Wie oft haben wir einander gesagt, dass wir Freunde sind? Jetzt gilt es, oder es ist nichts wert!“

In diesem Moment sah Albus sie anders als bisher, denn jetzt blitzte in ihrem Blick jenes stählerne Etwas auf, das er an seiner Mutter kennengelernt hatte. Noch mehr als seiner Mutter ähnelte sie freilich plötzlich ihrer eigenen. Noch nie war ihm ihre Ähnlichkeit mit Hermine so aufgefallen, noch nie ihm so bewusst gewesen, wie sehr ihm das gefiel…

Roy unterbrach seine Gedanken, denn er wurde barsch: „Rose, red nicht solchen Unsinn! Freundschaft beweist sich nicht an solchen Wahnsinnsentschlüssen. Der einzige Erstklässler, den ich jetzt brauchen kann, ist Al! Ihr anderen bleibt hier!“

„Roy“, wandte Albus vorsichtig ein, ohne seinen Blick von Rose zu wenden. „Von den sechzehn Personen, die für die Befreiung meines Vaters vorgesehen waren, sind nur wir beide noch auf freiem Fuß. Wir brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können!“

„Ja, aber nicht von Elfjährigen, von denen einer nicht einmal zaubern kann!“

„Das Alter“, gab Scorpius zu bedenken, „können wir mit Alterungstrank ändern, und für Bernie gibt es Zauberkraftverstärker!“

„Außerdem bin auch ich erst elf“, fügte Albus hinzu.

„Das ist etwas ganz Anderes, es geht um deinen Vater!“

„Es geht auch um meine Mutter!“, warf Rose ein.

„Eben“, konterte Roy. „Wenn wir dich mitnehmen, wird Hermine behaupten, wir hätten ihre Tochter entführt, und den Sohn des Muggelpremiers gleich mit…“

„Roy“, fiel ihm Albus ins Wort, der inzwischen die Karte des Rumtreibers herausgezogen hatte, „die Auroren sind schon hier im Seitengang!“

In der Tat konnte man die Auroren jetzt hören, die einen Raum nach dem anderen öffneten und an den Wänden entlanggingen, als suchten sie mit ihren Zauberstäben nach Hohlräumen.

„Nimm sie alle mit, Roy“, flehte Albus. „Zurückschicken kannst du sie immer noch!“

Zeit zu überlegen blieb nicht mehr. „Bernie, Scorpius, haltet euch an mir fest, Rose, du gehst mit Albus!“ Lieber Gott, mach, dass das die richtige Entscheidung ist!

Einen Moment später waren sie disappariert.

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