3-Todesser

Am nächsten Morgen erwachte Albus früher als die anderen. Da Samstag war, durften sie ausschlafen, aber er war sofort hellwach, wusch sich, schlüpfte in seine Sachen, legte den Umhang an, holte den Brief an seine Eltern heraus und machte sich auf den Weg zur Eulerei. Als er aus der Tür des Slytherin-Gemeinschaftsraums trat, fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, wo die Eulerei zu finden war, nur, dass sie in einem der Türme sein musste. Er beschloss, erst einmal zur Großen Halle zu gehen. Ein paar Frühaufsteher würden wohl schon da sein und ihm den Weg beschreiben.

In der Eingangshalle sah er Victoire, die vielleicht gerade ihren letzten nächtlichen Rundgang abgeschlossen hatte.

„Morgen, Victoire!“, rief er, doch als sie sich nach ihm umdrehte und ihn erkannte, wirkte sie wenig begeistert, ihn zu sehen.

„Morgen, Slytherin!“, antwortete sie nicht ohne Gehässigkeit.

Albus starrte sie an. Victoire auch! „Geht’s noch? Ich heiße nicht Slytherin!“

„Du bist einer.“

Albus spürte Tränen, die sich ihren Weg bahnen wollten. Nein, ich werde jetzt nicht weinen! Er kämpfte einige Sekunden, dann hatte er sich wieder im Griff und meinte so cool wie möglich:

„Könnt ihr diesen Quatsch mal lassen? Ich habe den Sprechenden Hut nicht gebeten…“

„Der Sprechende Hut schickt jeden dorthin, wo er hinpasst und hingehört. Er hat bestimmt gute Gründe gehabt, dich ausgerechnet“ – Verachtung klirrte in ihrem Ton – „zu denen zu schicken!“

„Victoire, du kennst mich doch, ich…“

„Vielleicht kenne ich dich nicht. Ich glaubte nur, dich zu kennen.“

Einen Augenblick lang war Albus sprachlos. Dann riss er sich zusammen:

„Kannst du mir wenigstens den Weg zur Eulerei erklären, oder wirst du damit schon zur Verräterin an Gryffindor?“, fragte er sarkastisch.

Victoire blickte auf den Brief in seiner Hand. „Wäre ja zu interessant zu erfahren, wie du das deinen Eltern erklärst“, meinte sie, beschrieb ihm aber doch, wenn auch mürrisch, den Weg und ging dann grußlos in Richtung Große Halle davon.

„Meinen Eltern kann ich alles sagen!“, rief er ihr trotzig hinterher. „Sie sind offenbar die einzigen in der Familie, die keine hohlen Dummbratzen sind!“

Victoire blieb abrupt stehen, drehte sich dann langsam um und sagte eisig: „Zehn Punkte Abzug für Slytherin!“

Sie ging weiter.

Der Tag fing ja gut an. Er war noch kaum in Slytherin und hatte seinem neuen Haus schon Minuspunkte eingehandelt. Er glaubte, mit seiner Cousine zu sprechen und hatte die Antwort einer Vertrauensschülerin eines feindlichen Hauses bekommen.

Auf dem langen Weg zur Eulerei steigerte er sich immer mehr in seinen Zorn hinein. Was wussten die überhaupt über Slytherin? Er war dort mit offenen Armen aufgenommen worden und hatte bisher nur nette Mitschüler gefunden. Sogar einen netten Malfoy gab es dort. Wahrscheinlich glaubte Victoire auch diesen Todesserquatsch. Warum? Er dachte an das Gespräch mit Roy im Hogwarts-Express: Weil’s ALLE sagen! Und er beschloss, sie dafür grenzenlos zu verachten.

Bildet euch bloß nicht ein, dass ich euch hinterherkrieche!

Er hatte die Eulerei endlich erreicht, streichelte ein wenig seine Eule Athena, die das sichtlich genoss, befestigte den Brief an ihren Fängen und schickte sie auf die Reise. Während er ihr nachsah, versuchte er sich vorzustellen, wie seine Eltern die Nachricht aufnehmen würden, einen Slytherin in der Familie zu haben. Er sah das belustigte Grinsen seines Vaters geradezu vor sich. Sie würden unerschütterlich hinter ihm stehen. Er straffte sich. Und die anderen Gryffindors können mir mal im Mondschein begegnen!

Er ging schnurstracks zur Großen Halle, um zu frühstücken. Noch immer war nicht viel Betrieb, die wenigen Schüler, die schon aßen, saßen einzeln oder höchstens zu zweit an den langen Tischen. Roy und Julian waren auch da, vertieft in ein Gespräch, während sie ab und zu in einen Toast bissen. Zu ihnen wollte er sich nicht setzen. Große mochten es meistens nicht, wenn ein Elfjähriger ihre Gesellschaft suchte. James, obwohl er gerade dreizehn war, hatte ihm oft genug zu verstehen gegeben, dass er sich zu verkrümeln hatte, wenn er mit seinen Freunden zusammensaß. Er beschloss, ein wenig abseits von ihnen Platz zu nehmen.

Kaum hatte er sich gesetzt, da senkte sich eine üppige Auswahl an Platten, Brotkörben, Tellern und Schüsseln vor ihm auf die Tafel. Albus wusste zwar, dass man in Hogwarts gut verköstigt wurde – er hatte es gerade gestern Abend selbst erlebt –, trotzdem verblüffte es ihn erneut, allerdings auf die angenehmste Weise. Er hatte allerdings nur wenig Hunger und beließ es bei einem Toast mit Butter und einem Becher Kakao.

Der Saal füllte sich allmählich. Er würde auf die anderen Erstklässler warten, die bestimmt zu aufgeregt waren, um lange zu schlafen, und sich mit ihnen unterhalten. Er sah zum Eingangsportal, durch das gerade James und Rose hereinkamen. Fest entschlossen, sie nun ihrerseits wie Luft zu behandeln, wandte er den Blick ab und sah zu Roy und Julian hinüber, als Roy zufällig aufblickte, ihn sah und ihn mit einem fragenden Blick aufzufordern schien, zu ihnen zu kommen. Dann eine energische Kopfbewegung: Nun komm schon!

Albus fühlte sich geschmeichelt. Roy machte nicht den Eindruck, jeden Dahergelaufenen zu sich an den Tisch zu bitten.

„Moin“, begrüßten Roy und Julian ihn gleichzeitig, als er sich zu ihnen setzte.

„Morgen“, antwortete er.

Professor Longbottom ging gerade, gedankenverloren und ein wenig schlurfend wie immer, am Slytherin-Tisch entlang. Albus rief ihm ein fröhliches „Guten Morgen, Herr Professor!“, entgegen. Er kannte Longbottom gut, er war ein enger Freund seiner Eltern, draußen war er für ihn einfach Neville, aber hier in Hogwarts war eine förmliche Anrede angebracht.

Longbottom schreckte hoch, erkannte Albus, erwiderte dessen Lächeln und sagte: „Guten…“ – Sein Lächeln fiel in sich zusammen – „…Morgen“. Roy und Julian hatten sich zu ihm umgedreht, um zu sehen, wen Albus da begrüßte. Das „Morgen“ hatte Longbottom nur noch gehaucht. Ohne ein weiteres Wort schlurfte er an dem verdutzten Albus vorbei weiter zum Lehrertisch.

Roy schien der Szene keine Beachtung zu schenken. „Na“, fragte er, „hast du den Schock schon ein bisschen verdaut, ein Slytherin zu sein?“

„Na ja“, meinte Albus. Er hörte auf, Longbottom hinterher zu starren und wandte sich den beiden Großen zu. „Ein bisschen komisch ist es schon. Die Slytherins waren gestern derart begeistert, dass es mir schon fast unheimlich war.“

Roy und Julian warfen einander ein vielsagendes Lächeln zu.

„Du hast ein feines Gespür“, sagte Roy. „Jeder Andere hätte es einfach toll gefunden und nicht weiter darüber nachgedacht.“

„Ja, aber warum freuen sie sich denn so?“

„Da wird jeder seine eigenen Gründe haben. Manche haben dich schon im Hogwarts-Express kennengelernt. Ich habe noch im Zug zu Julian gesagt, dass ich dich gerne bei uns hätte und die Gryffindors dich eigentlich nicht verdient haben“, sagte Roy, während Julian bestätigend nickte.

„Ehrlich? Aber wir haben doch nur ganz kurz miteinander gesprochen“, wunderte sich Albus.

„Es war auch nur ein gefühlsmäßiger erster Eindruck, aber die sind oft die zuverlässigsten. Ich finde jedenfalls, man kommt sehr weit, wenn man sich darauf verlässt.“

„Die meisten kannten mich aber gar nicht und haben trotzdem gejubelt.“

„Wenn die Gryffindors dumm aus der Wäsche schauen“, grinste Roy, „und das haben sie getan, ist das für viele von uns allein schon ein Grund zu feiern, zugegeben kein besonders edler. Tja, und dann heißt du auch noch Potter.“

„Dachte ich mir doch, dass es irgendetwas mit meinem Vater zu tun hat“, brummte Albus verdrossen. „Damit das klar ist: In bin ein mittelmäßiger Quidditch-Spieler, zaubern kann ich auch nicht besonders gut, und ich habe keine Lust und kein Talent, gegen Basilisken, Drachen, Riesenspinnen und sonstiges Ungeziefer zu kämpfen.“

Die beiden Großen lachten. „Dafür bist du aufrichtig“, antwortete Roy. „Ich meinte etwas Anderes. Subtileres.“ Er überlegte einen Augenblick. „Du hast doch gestern Abend meinen Streit mit Patricia mitbekommen? Sie findet, Slytherin müsse sich, wie sagte sie nochmal…“

„Rehabilitieren“, warf Albus ein.

„Genau. Du weißt, was das heißt?“

„Na ja, so viel wie wieder gesellschaftsfähig werden.“

„So ungefähr, und in diesem Fall sogar besonders treffend. Die Tatsache, dass Slytherin viele Schwarzmagier und Todesser hervorgebracht und sich am Ende nicht an der Verteidigung von Hogwarts beteiligt hat…“

„Wie denn auch? Man hat uns doch gar nicht die Chance gegeben!“, rief Julian erregt dazwischen, als wäre er dabeigewesen.

„Wie auch immer“, fuhr Roy fort, „es hat jedenfalls das Prestige des Hauses Slytherin nachhaltig angekratzt. Früher war Slytherin das angesehenste aller Häuser, heute werden Slytherin-Schüler schief angeschaut und sogar beleidigt. Nun kommen viele Slytherins aber aus der alten Zauberer-Oberschicht und fühlen sich dadurch in ihrem Stolz gekränkt. Am liebsten würden sie in andere Häuser gehen, aber der Sprechende Hut lässt sie nicht. Einige von ihnen finden nun, sie müssten ‚mit der Zeit gehen‘, also ihr Fähnchen nach dem Wind hängen. Sie möchten nun, dass die Slytherins mit besonderem Eifer demonstrieren, dass sie keine Vorurteile haben, niemanden diskriminieren, alle Muggel als Brüder und Schwestern behandeln und so weiter.“

„Ja, aber das ist doch etwas Gutes“, warf Albus ein.

Roy zögerte. „Weißt du, Albus – erstens ist das bloße Gegenteil von etwas Falschem noch lange nicht das Richtige, und du kannst auch etwas Gutes einfach dadurch ruinieren und in etwas Schlechtes verwandeln, dass du es auf die Spitze treibst. Zweitens ist es ein Unterschied, ob jemand etwas aus Überzeugung tut, oder weil er glaubt, dass ‚man‘ es tut. In diesem Fall ist es wertlos. Das, was man als das Richtige erkannt hat, und zwar nach bestem Wissen und Gewissen, das muss man tun, ganz egal, ob es einen auf einen Ministersessel oder in eine Gefängniszelle führt. Und genau darin liegt drittens auch die Milchmädchenrechnung der Patricias: Man merkt ihnen das Unehrliche und Korrupte ihrer Haltung einfach an. Man merkt, dass es Mittel zum Zweck ist. Mit dieser Doppelbödigkeit verschaffen sie den Gryffindors ein gutes Gewissen, wenn sie sie als Todesser beschimpfen. Und viertens: Da sie auf Beleidigungen, Verleumdungen und subtile Erpressungen mit übereifrigem Wohlverhalten reagieren, werden sie naturgemäß immer weiter beleidigt, verleumdet und erpresst.“

Albus war sich nicht sicher, ob er alles verstanden hatte, aber es hörte sich ziemlich klug an.

„Ich“, fuhr Roy fort, „bin damals fast genauso begeistert empfangen worden wie du, weil ich seit Generationen der erste rein Muggelstämmige in Slytherin war. Inzwischen gibt es ein paar mehr, nicht viele allerdings. Halbblüter hatte es oft gegeben, aber an einem waschechten Schlammblut hofften einige demonstrieren zu können, wie“ – er rümpfte die Nase – „‚geläutert‘ Slytherin war. Einige haben mich sozusagen als Slytherins Vorzeigemuggel betrachtet. Allerdings nur, bis ich anfing, mit meinem eigenen Kopf zu denken. Was waren sie da enttäuscht von mir“, grinste er selbstzufrieden. „Der langen Rede kurzer Sinn: Einen Potter bekommen zu haben, den Sohn des Bezwingers von Voldemort, ist für sie so etwas wie ein Geschenk des Himmels. Seht her, wir haben sogar einen Potter, so geläutert sind wir!“

„Ich finde es reichlich blöd, aus solchen Gründen gemocht zu werden“, murrte Albus.

„Nun ja“, meinte Roy, „aus blöden Gründen gemocht zu werden ist immer noch besser, als aus blöden Gründen gehasst zu werden. Aber versteh mich bitte nicht falsch: Nicht alle denken so, und nicht einmal die meisten.“

„Aber wie unterscheide ich die, die mich ehrlich mögen, von denen, für die ich so eine Art, äh, Vorzeige-Potter bin?“

„Verlass dich getrost auf dein Gefühl.“

„Das mit dem Vorzeige-Potter klappt doch sowieso nicht. Ich habe einen Bruder und zwei Cousinen in Gryffindor, und die behandeln mich jetzt wie das Schwarze unter dem Nagel. Ich habe…“ – er zögerte ein wenig – „Slytherin hat meinetwegen schon zehn Punkte abgezogen bekommen.“

Roy wirkte nicht besonders erschüttert, er grinste sogar ein bisschen. „Reife Leistung so früh im Schuljahr. Was hast du denn angestellt?“

„Victoire hat mich ziemlich runtergeputzt, weil ich jetzt ein Slytherin bin. Da habe ich sie eine hohle Dummbratze genannt.“

Die beiden Älteren prusteten los. „Das sollte uns zehn Punkte wert sein, findest du nicht, Herr Vertrauensschüler?“, feixte Julian.

„Ganz meine Meinung. Slytherin wird es überleben“, sagte Roy versonnen. „Betrachten wir es als deine Feuertaufe für dein neues Haus.“

„Danke. Trotzdem fühlt man sich irgendwie zwischen den Stühlen, wenn die eigene Familie auf einem herumhackt.“

Er sah zwischen Roy und Julian hindurch Rose und James am Gryffindor-Tisch die Köpfe zusammenstecken. James deutete mit dem Zeigefinger in Richtung Albus – nein, eigentlich in Richtung Julian – und tuschelte aufgeregt etwas in Roses Ohr, deren Miene schlagartig vereiste. Ihre Mundwinkel verzogen sich nach unten. Einen Moment funkelte sie Albus an, dann wandte sie den Blick von ihm ab.

„Hast du Angst, was deine Eltern sagen könnten?“, fragte Julian. Er war jetzt ernst und klang wirklich besorgt.

„Nein, ich habe es ihnen auch schon geschrieben. Mein Vater hat noch am Bahnhof ausdrücklich gesagt, dass es ihm nichts ausmachen würde, wenn ich nach Slytherin käme.“

„Cooler Typ, dein Vater“, meinte Julian anerkennend, aber auch ein wenig neidisch, und seufzte. „Als ich das damals meinem Alten geschrieben habe, kam drei Monate lang kein einziger Brief von ihm, und an Weihnachten haben wir nur gestritten. Eigentlich streiten wir seitdem nur noch. Macht keinen Spaß. Dabei hätte er damit rechnen müssen, schließlich waren außer ihm alle aus unserer Familie in Slytherin.“

„War er selber in Gryffindor?“

„Nein, er war gar nicht in Hogwarts, sondern in Beauxbatons. Er wuchs bei entfernten Verwandten in Frankreich auf. Er war noch ganz klein, als seine Eltern verhaftet und nach Askaban gebracht wurden.“

Askaban?“, fragte Albus entsetzt.

Julian stutzte, dann schien er zu verstehen: „Ach so, ich sollte mich vielleicht vorstellen. Ich heiße Julian Lestrange.“

LESTRANGE!

Albus schrak zusammen. Roy und Julian warfen einander einen schnellen Blick zu.

„Dann bist du der Sohn, nein der Enkel von – von…“

Rodolphus und Bellatrix Lestrange, ganz recht.“

Albus wollte etwas erwidern, aber es war, als stecke ein Kloß in seinem Hals. Der Name Lestrange wurde in seiner Familie nur mit Schaudern und nur im Zusammenhang mit Verbrechen von unerhörter Grausamkeit erwähnt. Dass ein anscheinend ganz normaler und sogar sympathischer Junge so heißen konnte, lag jenseits von Albus‚ Vorstellungskraft. Er starrte Julian an, der ein wenig erstaunt die Brauen hochzog, sonst aber seinen Blick gelassen erwiderte. Als das Schweigen peinlich zu werden begann, wandte er sich an Roy und fragte mit gespielter Besorgnis: „Ich hoffe, du hast ihm gegenüber nicht erwähnt, dass ich jeden Morgen einen Hauselfen foltere und sonntags einen Muggel?“

Roy erwiderte todernst: „Ich habe geschwiegen wie ein Grab.“

Eine Sekunde herrschte Stille, dann prusteten sie alle drei los, der Bann war gebrochen. Trotzdem konnte Albus einen leisen Zweifel in seiner Stimme nicht unterdrücken, als er halb feststellte, halb fragte: „Du denkst ja sicher nicht wie deine Großeltern!?“

Julian wurde ernst: „Woher soll ich wissen, wie sie gedacht haben? Ich habe sie nie kennengelernt. Nicht einmal mein Alter hat bewusste Erinnerungen an sie. Er weiß im Grunde nur, was seine französische Verwandtschaft ihm erzählt hat. Seine ganze Kindheit hat man ihm erklärt, er sei der Sohn der größten Verbrecher aller Zeiten. Man hat ihm regelrecht eingetrichtert, dass er auf keinen Fall so werden darf wie sie, und dass er sich übermenschlich anstrengen muss, um es nicht zu werden, denn schließlich ist er ihr Sohn und trägt den Todesser sozusagen automatisch in sich.“

Er machte eine Pause.

„Tja, und dieses famose Erziehungsrezept hat er dann auf mich angewandt. Als ich sechs Jahre alt war, hatten mich ein paar Muggeljungs so getriezt, dass ich sie mir in meiner Wut mit Elefantenohren vorstellte. Die ihnen dann auch prompt wuchsen.“ Er grinste, aber seine Augen blickten traurig. „Als mein Vater davon erfuhr, hat er getobt. ‚Es fängt an mit Elefantenohren und endet mit dem Cruciatus-Fluch‘ hat er mich angeschrien und mir eine fürchterliche Tracht Prügel verpasst. Dann musste ich mich auch noch bei den Muggeljungs, den übelsten Fieslingen der ganzen Gegend, entschuldigen. Was schon deshalb nicht nötig gewesen wäre, weil er sie ohnehin mit einem Vergessenszauber belegen musste, aber er wollte mir eine Lektion erteilen. ‚Du wirst nicht wie deine Großeltern, du nicht!‘“ ahmte Julian den zornigen Tonfall seines Vaters so gut nach, wie es bei einem gedämpften Gespräch eben möglich war. „Dann hat er mir das Zaubern ganz verboten. Natürlich habe ich weitergezaubert, so gut ich konnte. Mal klappte es, mal nicht, wie es bei Zaubererkindern eben so ist. Einmal klappte es ziemlich gut. Der Muggelnachbar, der uns immer von seinem Balkon aus beschimpft hat, weil wir ihm beim Fußballspielen zu laut waren…“

„Du hast Fußball gespielt?“, warf Albus überrascht ein. Fußball war ein Muggelsport, Zauberer spielten Quidditch.

„Der Alte hat dafür gesorgt, dass ich möglichst viel Kontakt zu Muggeln hatte. Damit ich keine Vorurteile entwickele“, schnaubte er verächtlich. „Ja, natürlich habe ich mit den Muggeljungs Fußball gespielt, ich war sogar ziemlich gut. Diesem Nachbarn also, der sich immer über uns beschwerte, wuchsen seine Kopf- und Barthaare plötzlich mit zwei Zoll pro Minute.“ Er kicherte einen Moment lang, dann war ihm das Lachen wie aus dem Gesicht gewischt. „Da war ich acht. An diesem Tag hat er mich das erste Mal als Todesser beschimpft.“

Albus hatte auf einmal das Gefühl, dass ihn jemand vom Lehrertisch anstarrte. Er fuhr herum und sah noch, wie Neville den Kopf schnell wieder über sein Müsli senkte.

„Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft er mich seitdem ‚Todesser‘ genannt hat, deswegen lässt es mich auch völlig kalt, wenn andere mich so nennen. Ich bin jedenfalls fest entschlossen, nicht wie mein Vater mein Leben damit zu verschwenden zu beweisen, dass ich es nicht bin. Manchmal denke ich sogar, wenn ich den Todessern so ähnlich sein soll, heißt das ja, dass sie auch Ähnlichkeit mit mir gehabt haben müssen, und dann können sie so schlecht nicht gewesen sein. Ich weiß“, fügte er hinzu, als er Albus‚ entgeisterte Miene sah, „in den Geschichtsbüchern steht etwas anderes.“

Albus empfand Unbehagen, aber einer Debatte fühlte er sich nicht gewachsen. Er meinte nur: „Du siehst deiner Großmutter überhaupt nicht ähnlich.“

„Nein, das Aussehen habe ich von meiner bretonischen Mutter geerbt. Altkeltischer Druidenadel“, fügte er nicht ohne Stolz hinzu. „Ihr verdanke ich es auch, dass der Alte mich nicht mehr verprügelt hat, aber dazu musste sie ihm mit Scheidung drohen. Und dass ich noch in Hogwarts bin. Er hätte mich am liebsten von der Schule genommen, nachdem ich nach Slytherin gekommen war. – So, es wird Zeit. Heute und morgen finden die Auswahltrainings für die Quidditch-Mannschaften statt, und Slytherin ist in einer Stunde als erstes an der Reihe. Ich bin der Kapitän und muss noch Vorbereitungen treffen. Bewirbst du dich auch, Al?“

„Ich weiß nicht, ich glaube nicht, dass ich besonders gut bin, und einen Besen habe ich auch nicht.“

„Nun, blamieren kannst du dich kaum, dein Bruder versucht es schon seit zwei Jahren vergeblich bei den Gryffindors. Von einem Elfjährigen, auch wenn er Potter heißt, erwartet niemand, dass er sich auf Anhieb durchsetzt. Aber ein bisschen enttäuscht wäre ich schon, wenn du es nicht wenigstens versuchen würdest. Und was den Besen betrifft: Draco Malfoy hat der Mannschaft zur Feier der Einschulung seines Sohnes gleich einen ganzen Satz spendiert. Feuerblitze. Die sind immer noch unerreicht. Sie werden auch zum Auswahltraining verwendet.“

Albus fand die Aussicht, noch vor James in eine Hausmannschaft aufgenommen zu werden, ausgesprochen reizvoll und beflügelnd. Die Chancen waren gering, aber Julian hatte recht: Zu verlieren hatte er nichts. Und Besenfliegen konnte er auch ganz ordentlich. „OK, in einer Stunde im Stadion.“

Auch Roy erhob sich. „Ich werde es mir in der Bibliothek bequem machen. Am Wochenende hat man dort mehr Ruhe als in der Woche.“

Auf dem Weg zum Schlafsaal, aus dem er seine Quidditch-Sachen holen wollte, wurde Albus von Scorpius eingeholt.

„Bewirbst du dich auch?“, fragte Scorpius.

„Ja, als Sucher. Ich glaube, da hat man als kleiner, leichter Spieler noch die größten Chancen.“

„Das glaube ich auch. Mein Vater hat die ganze Mannschaft mit Feuerblitzen ausgestattet. Leider hat er Lestrange ausdrücklich geschrieben, dass ihn das nicht in seiner Entscheidung beeinflussen soll.“ Er zog eine Schnute. „Aber versuchen werde ich es trotzdem.“

Sie waren an der Tür zum Gemeinschaftsraum angekommen. Albus legte die Hand auf den Schlangenkopf. Die Kobra begrüßte ihn mit „Guten Morgen, Albus“. Albus, der sich noch nicht daran gewöhnt hatte, antwortete verdattert „Guten Morgen“, drückte die schwere Tür auf und trat in den Gemeinschaftsraum. Da bemerkte er, dass Scorpius ihn fassungslos anstarrte.

„Was ist?“

„Hast du eben Parsel gesprochen?“, fragte Scorpius.

„Ich weiß nicht. Eigentlich habe ich nur ‚Guten Morgen‘ gesagt, weil die Schlange…“ Er brach ab. Weil ich die Schlange verstanden habe.

„Du bist ein Parselmund. Wow!“ Scorpius wirkte fast ehrfürchtig. „Seid ihr das alle in eurer Familie?“

„Ich weiß nicht. James ist es nicht, soviel ich weiß.“ Albus wurde sich jäh bewusst, dass er seinem großen Bruder etwas voraushatte, sogar etwas Wichtiges, und er grinste innerlich. Andererseits war Scorpius‚ Bewunderung ihm etwas peinlich. „Ist doch auch egal. Du solltest es auch nicht weitererzählen, manche finden so etwas unheimlich.“ Seinen Vater hatten sie seinerzeit wochenlang deswegen geschnitten.

Scorpius machte eine Geste, als verschlösse er seinen Mund mit einem Reißverschluss. Die beiden gingen schweigend in den Schlafsaal, packten ihre Sporttaschen und machten sich auf den Weg zum Quidditch-Stadion.

Dort standen nicht weniger als vierzehn Bewerber, die als Sucher für Slytherin spielen wollten, und die Hälfte von ihnen waren Erstklässler. Julian überlegte einen Moment und entschied dann:

„Von den Erstklässlern kommt nur der beste in die engere Wahl. Wir veranstalten also ein kleines Vor-Turnier.“ Er teilte die Erstklässler in zwei Gruppen zu drei beziehungsweise vier Spielern. Dann hob er einen Golfball in die Luft. „Dieser Ball stellt unseren Schnatz dar. Ein echter Schnatz wäre unkontrollierbar, damit könnte die Auswahl Monate dauern. Gruppensieger ist derjenige, der den ‚Schnatz‘ als erster dreimal gefangen hat. Die Gruppensieger spielen dann gegeneinander, und der Gewinner darf sich mit den Älteren messen.“

Er ließ den Ball mit seinem Zauberstab schweben und dann so schnell im Zickzack durch die Luft rasen, dass die Bewerber ihn aus den Augen verloren. „Auf!“, rief er, und Albus stieß sich mit drei weiteren Spielern auf seinem Besen vom Boden ab.

Es stellte sich heraus, dass er seinen Konkurrenten weit überlegen war. Er sah schärfer, manövrierte geschickter mit seinem Besen und traute sich Sturzflüge bis knapp über dem Boden. Mehr als einmal bekam er sogar Szenenapplaus von den Zuschauern. In seiner Gruppe fing er gleich die ersten drei Bälle und war damit Gruppensieger. Im Zweikampf der Gruppensieger brauchte er allerdings fünf Durchgänge, um sich mit 3 zu 2 gegen Scorpius durchzusetzen. Das darauffolgende Viertelfinale gewann er mit 3 zu 1 gegen einen Drittklässler. Im Halbfinale war aber für ihn Endstation, er verlor mit 0 zu 3 gegen einen Fünftklässler.

„Tolle Leistung für den Anfang“, lobte ihn Julian, als Albus vom Feld trottete. „Der beste unter den Erstklässlern und unter den besten vier insgesamt. Wenn du so weitermachst, bist du schon für nächstes Jahr ein heißer Kandidat.“ Er klopfte ihm auf die Schulter, und Albus, den seine Niederlage zunächst geschmerzt hatte, empfand nun doch Stolz.

Auf dem Rückweg traf er Neville Longbottom, der vor dem Eingangsportal auf ihn gewartet zu haben schien.

„Hallo Albus, hast du Lust auf einen Spaziergang?“

Albus zögerte, denn er ahnte, worüber Neville sprechen wollte, aber es wäre grob unhöflich gewesen abzulehnen.

„Gerne, Herr Professor.“

Longbottom schmunzelte. „Lass den Professor diesmal weg. Ich möchte nicht als Lehrer mit dir sprechen, sondern als Freund.“

Sie schlenderten zunächst schweigend zum See hinunter. Longbottom schien unsicher, wie er beginnen sollte. Unvermittelt fragte er, ohne Albus anzusehen:

„Du weißt, mit wem du vorhin beim Frühstück zusammengesessen hast?“

Albus hatte die Frage kommen sehen. Viele Menschen hatten unter der Grausamkeit der Lestranges gelitten, aber Neville litt vermutlich bis heute mehr als jeder andere. Seit seiner Kindheit besuchte er einmal monatlich seine inzwischen betagten Eltern im Zaubererkrankenhaus St. Mungo, wo sie in geistiger Umnachtung vor sich hindämmerten, seit die Lestranges sie vor langer Zeit tagelang bestialisch gefoltert hatten. Für Andere war die Herrschaft der Todesser nur ferne Vergangenheit, aber Neville folterten sie in gewissem Sinne bis heute. Einmal im Monat.

„Julian hat sich seine Großeltern nicht ausgesucht. Ich fände es nicht fair, sie ihm vorzuwerfen.“

„Er kann nichts dafür, von ihnen abzustammen“, stimmte Neville ihm zu, „wohl aber für die Einstellung, die er ihnen gegenüber hat. Nicht, dass er die Taten der Todesser direkt guthieße, aber er nimmt sie, und speziell seine Großeltern, gegen Kritik in Schutz, wo immer er kann und so gut es geht. Und zwar so sehr, dass es direkter Billigung auch ihrer Taten zum Verwechseln ähnlich sieht.“

„Es ist bestimmt auch nicht leicht, aus einer solchen Familie zu kommen“, meinte Albus, der sich nicht sicher war, wie viel er aus dem vertraulichen Gespräch mit Julian preisgeben durfte.

„Sein Vater, mit dem ich einmal eine lange Unterredung geführt habe, stammt aus derselben Familie, aber er hat sehr vernünftige Ansichten.“

„Tatsächlich?“, fragte Albus verblüfft. Aus Julians Mund hatte es anders geklungen.

„Ja. Er bedauert sehr, dass sein Sohn anscheinend in die Richtung von Bellatrix tendiert.“

„Könnte es sein, dass er das vielleicht nur glaubt, weil er es an sich selber fürchtet?“ So hatte Albus Julian verstanden, aber mehr als diese Andeutung wollte er sich nicht erlauben.

Neville blieb stehen und sah ihn überrascht an: „Beschäftigst du dich mit Psychologie? Das wäre ein eigenartiges Hobby für einen Jungen deines Alters.“

„Nein, ich dachte nur so…“ ließ er den Satz in vieldeutigem Gemurmel ausklingen. „Ähm, weiß er eigentlich, dass… ich meine, das mit deinen Eltern?“

„Nein, und es geht ihn auch nichts an!“ Der ungewohnt scharfe Ton ließ Albus zusammenfahren. „Nur meine engsten Freunde wissen das“, fuhr Longbottom jetzt ruhiger fort, „und so soll es auch bleiben. Im Übrigen geht es nicht nur um Lestrange, sondern durchaus auch um MacAllister. Wie findest du ihn?“

„Cool“, antwortete Albus, ohne nachzudenken. „Ich finde sie ehrlich gesagt beide cool, aber MacAllister noch ein bisschen mehr.“

Neville sah missmutig drein. „Danke für die ehrliche Antwort, das hatte ich befürchtet.“

„Wieso?“

„Weil die meisten Slytherin-Jungs, vor allem die jüngeren, MacAllister anhimmeln. Die Mädchen eher Lestrange. Was insofern aufs selbe hinausläuft, als sie seit ihrem ersten Tag in Hogwarts unzertrennlich sind und gemeinsam mit ihren Freunden einen“, – er stockte –, „unheilvollen Einfluss ausüben.“

„Also“ – Albus versuchte, sich vorsichtig auszudrücken – „ich finde, was er sagt, hat Hand und Fuß, und auch die Schüler der anderen Häuser scheinen großen Respekt vor ihm zu haben.“

„In der Tat, er ist sehr klug“, gab Neville widerwillig zu. „Ein Dummkopf hätte kaum diese Autorität.“

„Er ist nicht nur klug, er setzt sich auch für seine Schulkameraden ein und kümmert sich um uns.“

„Du glaubst, er kümmert sich um Jeden so wie um dich?“, fragte Neville.

„Ich glaube schon, ich habe gestern Abend noch gehört, wie er Malfoy gegen Patricia in Schutz genommen und später getröstet hat. Weil Malfoy Angst hatte, Ärger zu bekommen.“

„Ja?“ Neville wirkte erstaunt. „Nun, wie dem auch sei: Dass MacAllister sich fast eine Stunde lang mit einem Elfjährigen unterhält, habe ich noch nie erlebt.“

„Ich glaube, es liegt daran, dass ich mich mit Slytherin immer noch schwertue und außerdem von meinem Bruder und sämtlichen Weasleys geschnitten werde. Er will mir helfen, mich einzugewöhnen.“

Longbottom blickte nachdenklich über den See.

Albus, ich glaube, du solltest ein paar Dinge wissen. Slytherin ist ein besonderer Fall. Es ist das Haus, aus dem Voldemort kam, und das einzige, das mehrheitlich auf seiner Seite stand. Seit Voldemorts Tod sucht dieses Haus, wie soll ich sagen, nach einer Richtung, einer Orientierung, einem Selbstverständnis. Kannst du mir folgen?“

„Ich glaube schon. Sie möchten wieder oder immer noch dazugehören, aber nicht schlecht von ihren eigenen Familien denken, die im Krieg auf der falschen Seite gestanden haben.“

Neville schien beeindruckt: „Das hast du sehr klug auf den Punkt gebracht. Um wieder wirklich und nicht nur formal dazuzugehören, müssen sie mit allem brechen, was mit dieser Vergangenheit zu tun hat. Es genügt nicht, Voldemort und seine Methoden abzulehnen, sie müssen auch sein ganzes Denken aus ihrem Haus verbannen, notfalls eben auch um den Preis, dass ihre eigenen Eltern oder Großeltern dann schlecht aussehen. Ein Teil der Slytherins ist bereit, diesen Preis zu bezahlen, um wieder Teil der Zauberergemeinschaft zu werden, ein anderer Teil ist es nicht.“

Albus staunte: Das war im Grunde genau das, was Roy auch gesagt hatte, nur aus der entgegengesetzten Richtung betrachtet.

„Nennen wir die beiden Teile“, fuhr Neville fort, „das neue und das alte Slytherin. Roy MacAllister und Julian Lestrange sind mit ihren Freunden der harte Kern des alten.“

„Aber Roy ist muggelstämmig“, warf Albus ein, „wie kann er da reinblütige Zauberer für wertvoller halten, und Julian ist sein bester Freund. Ich meine, hätte sich ein Todesser früherer Tage ausgerechnet einen Muggel-Zauberer als besten Freund ausgesucht? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie denken wie die Todesser, das wäre doch unlogisch.“

Voldemort war ein Halbblut und sang trotzdem das Hohelied des reinen Blutes, und die reinblütigen Lestranges waren trotzdem seine fanatischsten Anhänger. Wer nicht in der Zaubererwelt großgeworden ist, hat unter Umständen wie Voldemort sogar ein besonderes Bedürfnis, seine Loyalität ihr gegenüber zu beweisen, deswegen ist dein Argument nicht ganz stichhaltig. Man kann natürlich auch nicht einfach sagen, dass sie denken wie die Todesser – zumindest nicht MacAllister, bei Lestrange bin ich mir nicht so sicher –, aber sie lehnen es ab, die Konsequenz zu ziehen und das Gegenteil zu denken. Die Konsequenz wäre anzuerkennen, dass es zwischen Zauberern und Muggeln, aber auch zwischen Zauberern und anderen vernunftbegabten Wesen, also zum Beispiel Kobolden, Elfen und Zentauren, keinen grundlegenden Unterschied gibt, und dass man deshalb überkommene Abgrenzungen und Vorurteile bekämpfen muss.“

Albus dachte einen Moment nach. „Aber sind Leute wie die Gryffindors, die nicht einmal ihre Vorurteile gegen Slytherin überwinden können, wirklich glaubwürdig, wenn sie anderen beibringen wollen, sich ihre Vorurteile gegen Muggel, Kobolde und Elfen aus dem Kopf zu schlagen? Sollte nicht jeder zunächst bei seinen eigenen Vorurteilen anfangen?“

Neville blieb stehen und grübelte. So hatte er es wohl noch nicht gesehen.

Albus fuhr fort: „Und ist es denn richtig, dass sie einfach nur das Gegenteil denken sollen? MacAllister sagt, dass das Gegenteil von etwas Falschem noch lange nicht das Richtige sein muss, und dass man etwas Gutes nur auf die Spitze treiben muss, damit es zu etwas Schlechtem wird.“

„Das ist typisch MacAllister“, brummte Neville verdrossen. „Mit seiner verdammten Intelligenz dreht er alles so lange hin und her, bis er bewiesen hat, dass Schwarz Weiß ist.“

Sie waren jetzt wieder auf dem Rückweg hinauf zum Schloss und schwiegen eine Weile.

„Jedenfalls rate ich dir als Freund deiner Eltern und auch als dein Freund, dich vor den beiden in Acht zu nehmen. Natürlich kann man sie nicht einfach mit den Todessern gleichsetzen, aber sie sind – zwielichtig, undurchschaubar. Und weil du Potter heißt, bist du wertvoll für sie. Ich fürchte, dass sie dich für etwas vereinnahmen wollen, was du nicht überblickst. Dass sie in dir ihren – wie soll ich sagen…“

„…Vorzeige-Potter sehen“, ergänzte Albus.

„Du überraschst mich heute immer wieder mit deiner schnellen Auffassung. Slytherin hat mit dir wirklich einen guten Fang gemacht.“

„Danke“, strahlte Albus. Seine Eitelkeit zog es vor, Neville nicht darüber aufzuklären, dass er einen Teil seiner schnellen Einsichten dem Gespräch mit Roy und Julian verdankte. „Und danke auch für die Warnung.“

Sie waren in der Eingangshalle angekommen, es war Zeit, sich zu verabschieden.

„Ich weiß, dass du es mir als Freund gesagt hast und werde gründlich darüber nachdenken.“

Sie reichten sich die Hand. Albus wandte sich schon zum Gehen, hielt dann aber inne und meinte zögernd:

„Versteh aber bitte auch eines: Ich fange an, mich in Slytherin wohlzufühlen, und das liegt auch an MacAllister. Selbst wenn seine Ansichten falsch sein sollten, muss er als Person ja nicht verkehrt sein.“

Er winkte Longbottom zum Abschied zu und enteilte dann Richtung Slytherin-Gemeinschaftsraum. Neville blieb stehen und sah ihm lange und nachdenklich hinterher. Dann schlurfte er zur Großen Halle.

2 Gedanken zu „3-Todesser

  1. Natürlich ist der Sinn des Ganzen jetzt klar und die Grundgedanken wunderbar formuliert. Aber Albus ist hier kein 11-Jähriger mehr.

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